ist jeder Mensch ein Unternehmer? Ist es ein
Irrtum, dass nur Unternehmensgründer Unter -
nehmer sind? Sind nicht viele fürsorgliche
Eltern und auch sozial engagierte Menschen
in ihrer Art, Aufgaben zu erkennen, aufzugrei-
fen und zu meistern, unternehmerischer als
manche Firmeninhaber?
Die entscheidende Frage ist: Wie stelle ich
mich in die Gemeinschaft? Bin ich jemand, der
sich sagen lässt, was er machen soll, oder bin
ich eine Person, die selbst erkennt, was zu tun
ist? –Wenn ich aus diesem Blickwinkel Fami -
lien arbeit oder auch soziale Aufgaben betrach-
te, liegt der Schluss nahe, dass viele Frauen
unternehmerischer handeln als ihre erwerbs-
tätigen Männer. –
Doch wie kommt man in die Lage, sein Leben
selbst zu gestalten? Oder bildlich gesprochen,
wie schafft es zum Beispiel der Einzelne, dass
er nicht am Schweif des Pferdes hängt, sondern
dass er im Sattel sitzt und selbst die Zügel in
die Hand nimmt?
Solange man am Schweif hängt und nicht im
Sattel sitzt, zieht irgendjemand – deswegen
heißt es auch Erziehung –, und der Ziehende
gibt die Richtung und die Geschwindigkeit vor.
Der Übergang vom Schweif in den Sattel ist der
von der Fremderziehung zur Selbsterziehung.
Das ist ein kontinuierlicher Prozess, der le-
benslang stattfindet.
Selbsterziehung heißt aber nicht, in Lieb lings -
vorstellungen oder Selbstbeschäftigungen
hängen zu bleiben, sondern es heißt, sich sei-
ner Fähigkeiten oder Talente bewusst zu wer-
den, diese zu entwickeln und sich selbst Ziele
zu setzen. Für heranwachsende Menschen ist
Sport ein gutes Mittel, um von der Fremd -
erziehung in die Selbsterziehung zu gelangen.
„Selbsterziehung heißt, sich
seiner Fähigkeiten oder
Talente bewusst zu werden,
diese zu entwickeln und
sich selbst Ziele zu setzen.“
Aus der Sicht des Gründers und Gesellschaf -
ters eines Unternehmens mit mehr als 30.000
Mitarbeitern kann ich deshalb sagen: Auch
Führung ist nur dann moralisch, wenn sie zur
Selbst füh rung befähigt, und nicht, wenn sie in
Abhän gigkeit führt.
Aus der Sicht unserer Gesellschaft gilt: Je mehr
Menschen in unserer Gemeinschaft sich selbst
führen können und aus der Wahrnehmung der
Bedürfnisse ihrer Mitmenschen Aufgaben ini -
tiativ, autonom und selbstbestimmt ergreifen,
desto besser geht es uns.
Den Aspekt der Selbstführung hat Goethe in
einem Vers seines Gedichtes „Die Geheim -
nisse“ sehr treffend beschrieben:
„Denn alle Kraft dringt vorwärts in die Weite /
zu leben und zu wirken hier und dort; /
Dagegen engt und hemmt von jeder Seite / der
Strom der Welt und reißt uns mit sich fort: / In
diesem innern Sturm und äußern Streite /
vernimmt der Geist ein schwer verstanden
Wort: / Von der Gewalt, die alle Wesen bindet, /
befreit der Mensch sich, der sich überwindet.“
In diesem Sinne hoffe ich für das Wohl und die
Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft, dass
möglichst viele Bürger ihre Lebensbiografie
selbst unternehmen. Wenn jeder für sich die
Selbstführung aufgreift, intensiviert und aus-
weitet, profitieren alle davon.
von
Prof. Götz W. Werner
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